© Marcel Burkhardt
Weissstorch
Merkblätter
Schweizerische Vogelwarte Sempach, BirdLife Schweiz, Nos Oiseaux
Aktionsplan
Aktionsplan Weissstorch Schweiz.
Kestenholz, M., O. Biber, P. Enggist & T. Salathé (2010)
Bundesamt für Umwelt, Bern, Schweizerische Vogelwarte Sempach, Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz, Storch Schweiz, Bern, Sempach, Zürich, Kleindietwil
Elemente für Artenförderungsprogramme Vögel Schweiz
Die folgenden Informationen basieren auf dem Bericht von Spaar et al. (2012).
1. Hintergrundinformationen
Aktuelle Entwicklung von Verbreitung und Bestand
Die Bestandsentwicklung des Weissstorchs in der Schweiz ist für die letzten hundert Jahre sehr gut dokumentiert. Nach einem rapiden Rückgang seit spätestens 1900 (140 Brutpaare) erlosch die autochthone Brutpopulation 1950 in der Schweiz. Dank dem bereits 1948 durch Max Bloesch begonnenen Projekt zur Wiederansiedlung stieg die Zahl der Brutpaare kontinuierlich auf 269 Paare im Jahr 2010 an. Von den 1972–76 besetzten 9 Altasquadraten wurden bis 1993–96 nur 2 verlassen, aber 34 neu besiedelt. Inzwischen ist das ursprüngliche Brutgebiet in den Niederungen unterhalb 600 m ü.M. wieder weitgehend, wenn auch sehr ungleichmässig besiedelt.
Lebensraumansprüche
Der Weissstorch besiedelt Riedgebiete und das offene Kulturland, insbesondere extensiv genutzte Feuchtwiesen und Weideland. Der Horst befindet sich meist auf exponierten Gebäuden oder auf frei stehenden Bäumen, vorzugsweise in unmittelbarer Umgebung der Nahrungsgründe.
Gefährdung
Die Gründe des Bestandszusammenbruchs im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren vielfältig: anfänglich die Entwässerung der Sumpfgebiete und Riedlandschaften, später die Verdrahtung der Landschaft und der Einsatz von Pestiziden sowie der erhöhte Jagddruck in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten.
Heute geht in Europa die grösste Gefahr von Kollisionen und Stromschlägen an Freileitungen aus, wie ein Forschungsprojekt der Gesellschaft Storch Schweiz gezeigt hat.
Der Mangel an qualitativ guten Nahrungsgründen im Kulturland beeinträchtigt den Bruterfolg stark. Am westlichen Rand des mitteleuropäischen Verbreitungsgebiets mindern starke Regenfälle zur Brutzeit den Bruterfolg.
In den westafrikanischen Überwinterungsgebieten stellen die Reduktion des Nahrungsangebots durch die chemische Bekämpfung der Wanderheuschrecken und die direkte Verfolgung Probleme dar, deren Einfluss aber bisher kaum beziffert werden kann. Zudem beeinträchtigen Dürren im Sahelgebiet die Überlebensraten im Winter.
Limitierende Faktoren
Anzahl und Ausdehnung geeigneter Habitate mit genügendem Nahrungsangebot. Horstangebot. Ungesicherte Freileitungen im Brut-, Durchzugs- und Überwinterungsgebiet.
Perspektive
Die schweizerische Weissstorchpopulation weist zurzeit eine positive Wachstumsrate auf. Die Bestandsentwicklung wird ganz wesentlich von der Überlebensrate der Adulten bestimmt. Die Unfälle an Freileitungen sind rückläufig und können durch technische Massnahmen weiter verringert werden. Der momentan geringe Bruterfolg könnte sich durch ökologische Ausgleichsmassnahmen, welche sich günstig auf die Nahrungsbedingungen auswirken, verbessern.
Die Verfolgung im afrikanischen Winterquartier dürfte langfristig an Bedeutung verlieren wegen sinkendem Jagddruck im Sahel und einer Verlagerung des Winterquartiers nach Marokko und Südspanien. Die chemische Bekämpfung der Wanderheuschrecke in Westafrika dürfte jedoch eher noch weiter zunehmen.
Die negativen Tendenzen könnten durch Prävention bei Freileitungen und den ökologischen Ausgleich kompensiert werden, so dass die heute selbsttragende Population auf rund 300 Brutpaare wachsen könnte.
Schutzstatus
Rote Liste CH: VU, verletzlich
Priorität CH: B2, gefährdete Art mit geringer internationaler Verantwortung der Schweiz
Konventionen: Berner Konvention: streng geschützt (Anhang 2)
Bonner Konvention: wandernde Vogelart, für die Abkommen zu schliessen ist (Anhang 2) AEWA Annex 2 (B2b)
2. Laufende Aktivitäten, Erfahrungen aus Schutz und Forschung
Laufende Schutzmassnahmen und Programme
- Die Massnahmen zur Wiedereinbürgerung des Weissstorchs in der Schweiz umfassten bis 1995 kontinuierliche Freilassungen von in Gefangenschaft aufgezogenen Vögeln und künstliche Zufütterung von freifliegenden Individuen. Zudem wurden Nestlinge frei brütender Paare vorübergehend in menschliche Obhut gebracht oder es wurden ihnen die Schwingen gestutzt, um den ersten Wegzug im Herbst zu unterdrücken und damit die Überlebenschancen zu steigern. Der Bestand wurde somit künstlich beeinflusst. Seither wird versucht, die Verhältnisse möglichst den natürlichen Begebenheiten anzupassen. Dies bedingt die Schaffung weiterer geeigneter Lebensräume, was neu auch über das Instrument des ökologischen Ausgleichs geschehen kann, denn der Weissstorch ist eine Zielart der Umweltziele Landwirtschaft.
- Im Rahmen des Programms «Artenförderung Vögel Schweiz» wurde 2010 der Aktionsplan Weissstorch Schweiz gemeinsam mit Storch Schweiz veröffentlicht.
Forschungsprogramme
- Bei den freilebenden Individuen werden jährlich Brutbestand und Bruterfolg überwacht, die Nestlinge werden beringt und die Ringe der Altvögel abgelesen (Storch Schweiz).
- In den letzten Jahren wurden mehrere Auswertungen über die schweizerischen Weissstörche durchgeführt. Für die Förderung besonders relevant sind die demografische Analyse der Ringfunde und die Auswertung der Todesursachen.
Bekannte Artenförderungsmassnahmen national und international
- Der Weissstorch wurde in der Schweiz mittels Auswilderungen erfolgreich wiedereingebürgert.
- Lebensraumaufwertungen: Förderung des Nahrungsangebots mittels Schaffen von Feuchtgrünland-Flächen, z.B. sog. Storchenwiesen
und -weiden. - Horste/Horstplätze: Anbieten von hochwertigem Nistmaterial, z.B. Schnittgut von Obstbäumen, welches eine wasserdurchlässige Horstkonstruktion erlaubt. Schaffen von Horstplätzen auf
Bäumen und Gebäuden. - Freileitungen: Entschärfen von Gefahrenherden, insb. in der Nähe von Horststandorten, durch Isolatoren, Schutzhauben, Büschelabweiser oder Sitzbalken.
Notwendige Projekte (Artenförderung, Forschung, Monitoring)
- Die Schutz- und Förderungsmassnahmen für den Weissstorch erfordern eine internationale Zusammenarbeit und umfassen Massnahmen zur Habitatverbesserung im Brutgebiet, Vermeidung von Kollisionen an Freileitungen und Stromschlägen, Schaffung von gesicherten Rast- und Nahrungsplätzen, Verminderung der Verluste durch die Jagd und Aufklärung der Bevölkerung.
- Schaffen von temporären Feuchtwiesen im Rahmen des ökologischen Ausgleichs in der Nähe von Brutorten.
- Die Sanierung von Mittelspannungsmasten mit entsprechenden Isolatoren verringert effizient die Mortalität.