© Marcel Burkhardt
Wachtelkönig
Dieser Aktionsplan beschreibt die Rahmenbedingungen (Biologie des Wachtelkönigs, Schutzstrategien, Massnahmen, Akteure, usw.) zur Erhaltung und Förderung dieser gefährdeten Vogelart. Er basiert auf bis zum Dezember 2015 verfügbaren Publikationen, Daten und Informationen. Der vorliegende Aktionsplan ist eine überarbeitete Fassung des „Artenschutzprogramms Wachtelkönig in der Schweiz“ aus dem Jahr 2000. Der Zweck dieses Aktionsplanes ist, einen Überblick über die Biologie und Ökologie des Wachtelkönigs zu geben, die Vorgehensweise zum Schutz dieses Wiesenbrüters aufzuzeigen, eine Übersicht über die bisherigen Aktivitäten im Artenförderungsprogramm Wachtelkönig und ihre Wirkung in der Schweiz zu liefern sowie praktische Hinweise für die Feldarbeit zu bieten.
Zusammenfassung
Wie in den meisten anderen mitteleuropäischen Ländern nahm der Bestand des Wachtelkönigs während des 20. Jahrhunderts auch in der Schweiz drastisch ab. Die Art steht deshalb bei uns auf der Roten Liste in der Kategorie "vom Aussterben bedroht". Regelmässig konnten rufende Männchen in den letzten 15 Jahren vor allem in Graubünden (Unterengadin, Oberengadin, Vorderrheintal, Münstertal), im Neuenburger und Waadtländer Jura und verstreut in diversen Regionen der Alpen (Berner Oberland, Goms, Waadtländer Alpen) festgestellt werden. Die sehr mobile Art taucht aber immer wieder auch an Orten im Mittelland auf, an denen schon jahrzehntelang keine Nachweise mehr gelangen.
In der Schweiz kommen längere Aufenthalte rufender Männchen vor allem in höheren Lagen und meistens erst im Juni vor. Nachweise aus tiefen Lagen der Schweiz sind selten und solche aus der ersten Hälfte der Brutsaison (April–Mai) ebenfalls. Im Vergleich zum vorherigen Jahrhundert ist dies eine Verschiebung in der Höhenverbreitung und in der zeitlichen Ankunft. Sie widerspiegelt die Verschlechterung der Habitate im Mittelland und eine Verdrängung des Wachtelkönigs aus brutökologisch geeigneteren Lebensräumen in den Niederungen in höher gelegene Randstandorte.
Die Hauptursache für den Rückgang der Wachtelkönige ist die Mechanisierung der Landwirtschaft und die damit einhergehende und immer noch fortschreitende Intensivierung der Bewirtschaftung. Dadurch geht zum einen Lebensraum verloren, weil die Wiesen für den Wachtelkönig zu dicht werden. Zum anderen erfolgen die Schnitte immer früher und häufiger und auf grösseren Nutzungseinheiten. So wird ein Grossteil der Bruten vermäht und Jung- sowie Altvögel getötet.
Wachtelkönige brauchen bis August durchgehend einen ausreichenden Anteil ungemähter Wiesen, die Deckung und Nahrung bieten. Das Vorgehen zum Schutz unterscheidet sich je nach Häufigkeit der Wachtelkönige in einer Region. In Gebieten mit Einzelpaaren sollten Wiesen, in denen Wachtelkönige sich längere Zeit aufhalten und somit Brutverdacht besteht, wenn möglich bis mindestens Mitte August stehen bleiben. Einjährige Verträge mit den Landwirten beim Auftreten von Wachtelkönigen sind eine wirksame Massnahme, um Bruten zu ermöglichen. In Gebieten mit grösseren Wachtelkönig-Beständen hingegen eignet sich die Streifenmahd mit zeitlich gestaffelten Schnittterminen und Verträgen über mehrere Jahre. Diese Methode kommt allerdings in der Schweiz momentan nicht zur Anwendung, da die Wachtelkönige in unserem Land praktisch alle isoliert und relativ unvorhersehbar auftreten.
Eine wachtelkönigfreundliche Mähweise vom Zentrum nach aussen oder von einer Seite zur anderen mit angrenzenden Rückzugsflächen sowie die Verwendung von Doppelmesser-Mähwerken oder in steilerem Gelände von Einachs-Motormähern reduziert die Sterblichkeit von Alt- und Jungvögeln deutlich.
Wachtelkönig-Schutz ist ebenfalls Lebensraumschutz durch Erhalt, Vergrösserung und Schaffung geeigneter und vielfältiger Habitate. In der Schweiz fehlen in erster Linie grossflächige, eher nähstoffarme Wiesen in tieferen Lagen, denn nur solche Flächen bieten bereits früh im Jahr einen geeigneten Lebensraum. Im Berggebiet ist die Vegetation früh im Jahr noch nicht ausreichend hoch. Unausgeglichenes Bodenrelief, kleinräumig wechselnde Vegetation und Strukturen wie feuchte Senken, Bachläufe, Büsche und niedrige Hecken bereichern die Habitate für den Wachtelkönig, wie auch für viele andere Arten wie Wachtel, Feldlerche, Wiesenpieper und Braunkehlchen.
Die beiden Hauptziele im Artenschutzprogramm Wachtelkönig von Europarat und BirdLife International sind die Verhinderung einer weiteren Abnahme und des Aussterbens von kleinen Populationen sowie die langfristige Sicherung des Bestandes. Die Schweiz trägt vor allem Mitverantwortung für die Erhaltung der kleinen Restbestände in Mitteleuropa und verfügt zur Zeit der Zweitbruten über geeignete Habitate in höheren Lagen.
Die Bedingungen für ein erfolgreiches Brüten in der Schweiz müssen weiter verbessert werden, denn der Wachtelkönig reagiert aufgrund seines grossen Reproduktions- und Besiedlungspotentials schnell auf günstige Veränderungen in der Landwirtschaft, wie Beispiele in Grossbritannien belegen. Die eidgenössische Gesetzgebung und die durchgeführten Bestandsüberwachungen und Schutzmassnahmen in Wachtelkönig-Gebieten bilden die nötigen Voraussetzungen für einen Er folg des Artenschutzprogramms Wachtelkönig in der Schweiz.
Soll der Wachtelkönig weiterhin in der Schweiz brüten können, ist eine Weiterführung des Artenförderungsprogramms von BirdLife Schweiz unabdingbar, da ohne gezielte Massnahmen (Verträge für eine spätere Mahd) kaum Wachtelkönig-Bruten in der Schweiz stattfinden können.