© Ruedi Aeschlimann
Steinkauz
Merkblätter und Aktionsplan
Aktionsplan Steinkauz Schweiz
Meisser C., A. Brahier, R. Lardelli, H. Schudel & M. Kestenholz (2016)
Bundesamt für Umwelt, Schweizerische Vogelwarte, Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz; Bern, Sempach und Zürich.
Steinkauz – bedrohter Vogel des Kulturlands
Amiet, R., R. Ayé & C. Meisser (2013)
Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz, Zürich
Elemente für Artenförderungsprogramme Vögel Schweiz
Die folgenden Informationen basieren auf dem Bericht von Spaar et al. (2012).
1. Hintergrundinformationen
Aktuelle Entwicklung von Verbreitung und Bestand in der Schweiz
Die Bestände sind in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dramatisch zurückgegangen. Um 1950 war der Steinkauz im Mittelland noch weit verbreitet. Bis 2000 war der Bestand auf rund 50–60 Brutpaare zurückgegangen. Seither ist er stabil und hat sich z.T. leicht erholt. Die Bestandszahlen sind aber weiterhin besorgniserregend tief. Im Jahr 2011 betrug der Bestand ca. 35 Brutpaare im Kanton Genf, 17–19 in der Ajoie im Kanton Jura, 12–14 im Kanton Tessin und 0–1 im Kanton Freiburg. Die Bestände in Lörrach, am Kaiserstuhl D und im Elsass F haben von 67 bekannten Brutpaaren 2003 auf 135 Brutpaare im Jahre 2010 zugenommen. Einzelvögel wurden mehrfach auf Schweizer Territorium festgestellt. Weitere grenznahe Populationen bestehen in den Departementen Franche-Comté und Rhône-Alpes F sowie in der Lombardei I. Ein Austausch von Individuen findet zumindest teilweise statt.
Lebensraumansprüche
Der Steinkauz besiedelt ausschliesslich Höhenlagen unterhalb 600 m ü.M. und bewohnt reich strukturierten Kulturlandschaften mit Hochstammobstgärten, alten Baumbeständen, Hecken, nischenreichen, alten Gebäuden und Steinmauern. Er besiedelt bevorzugt offene bis halboffene Landschaften mit schütterer und/oder kurzrasiger Bodenvegetation. Hier jagt er Kleinsäuger, Grossinsekten, Regenwürmer und weitere Kleintiere. Zur Nahrungssuche braucht er über die gesamte Brutzeit ein ausreichendes Angebot von Stellen mit niedriger, lückiger Vegetation (Weiden, gestaffelt gemähte Wiesen, Brachen, unbefestigte Wege). Extensive Weiden mit angrenzenden Wiesen und Altgrasstreifen (auch Brachen oder Ruderalflächen) erfüllen diese Ansprüche am besten. Als Brutplatz dienen Baumhöhlen, Nistkästen und (insbesondere im Tessin) Nischen in Gebäuden. Scheiterbeigen, Baumhöhlen und zugängliche Nischen in Landwirtschaftsgebäuden erhöhen die Revierqualität zusätzlich.
Gefährdung
Intensive landwirtschaftliche Nutzung wirkt sich in diverser Hinsicht negativ aus. Dichter und hoher Graswuchs infolge Düngung sowie einheitliche Schnitttermine führen zu kritischen Lücken in der Verfügbarkeit von Beutetieren. Grossinsekten verschwinden infolge Düngung. Rodung und Aufsplitterung von Hochstammobstgärten aufgrund der Siedlungsausbreitung, Strassenbau oder Intensivierung der Landwirtschaft führen zum Verlust von Brut-, Ansitz- und Deckungsmöglichkeiten. Verbleibende Hochstammobstgärten werden oftmals nicht mehr genutzt und deshalb nicht mehr fachgerecht gepflegt.
Weitere Faktoren mit negativem Einfluss: Verlust oder Renovation von Rustici ist im Tessin eine Bedrohung. Hohe Zahl der Verkehrsopfer. Hohe Steinmarder- und Hauskatzenbestände verringern den Bruterfolg. Nasskalte Witterung v.a. von Mai bis Mitte Juli wirkt sich negativ auf den Bruterfolg aus. Insbesondere in kleinen Populationen wie in der Schweiz können sich diese Faktoren stark negativ auswirken. Umweltgifte spielen vermutlich ebenfalls eine Rolle.
Limitierende Faktoren
Sicht- bzw. Erreichbarkeit der Beutetiere während der gesamten Brutzeit wichtig; Angebot an Brachstreifen, artenreichen Wiesen und strukturreichen Weiden. Mardersichere Bruthöhlen. Scheiterbeigen, alte Gebäude oder ähnliche Strukturen als Verstecke insbesondere für Jungvögel.
Perspektive
Nur mit verstärkten Anstrengungen von Seiten aller Beteiligten, einschliesslich der Gemeinden und Kantone und unter Einbezug der raumplanerischen Entwicklung, wird es gelingen, die Schweizer Bestände weiter zu vermehren und dadurch längerfristig zu sichern.
Die Bestände in der Ajoie und im Tessin haben sich von den Tiefstständen der frühen 2000er-Jahre wieder etwas erholt. Die Art konnte sich auf grenznahem deutschem und elsässischem Gebiet in den letzten Jahren dank grossem finanziellem und personellem Aufwand vermehren. Die Bestände müssen dort weiter gefördert werden, um die Chancen einer Besiedelung geeigneter Gebiete in der Schweiz zu erhöhen. Aufwertung und Vernetzung der Lebensräume des Steinkauzes sind daher sowohl in den Schweizer Verbreitungsgebieten als auch im grenznahen Ausland vordringlich.
Schutzstatus
Rote Liste CH: EN, stark bedroht
Priorität CH: B2, gefährdete Art mit geringer internationaler Verantwortung der Schweiz
Konventionen: Berner Konvention: streng geschützt (Anhang 2)
2. Laufende Aktivitäten, Erfahrungen aus Schutz und Forschung
Laufende Schutzmassnahmen und Programme
- Nordwestschweiz und Dreiländereck CH/D/F: SVS/BirdLife Schweiz, NABU und LPO werten in einem trinationalen Projekt gemeinsam mit weiteren Partnern die Steinkauz-Lebensräume (v.a. Hochstammobstgärten) auf, bringen Niströhren an und informieren die Öffentlichkeit.
- Jura: In der Ajoie wertet das „Collectif Chevêche Ajoie“ im Rahmen eines kantonalen Aktionsplans den Lebensraum auf, insbesondere die Hochstammobstgärten. Künstliche Nisthöhlen werden angebracht. Das Ziel ist, eine source-Population zu schaffen, von der aus auch andere geeignete Gebiete besiedelt werden. Inzwischen wurden Teile der Ajoie wiederbesiedelt.
- Genf: Seit 1984 überwacht die Jugendgruppe von Nos Oiseaux den Bestand, schützt nach Möglichkeit Höhlenbäume und bringt künstliche Bruthöhlen an. Seit 1992 bemüht sich Pro Natura um die Erhaltung der verbliebenen Hochstammobstgärten und die Förderung von neuen (über 700 Bäume wurden gepflanzt, 150 Obstgärten revitalisiert). Der Steinkauz Art profitiert zudem von den Brachen in der Champagne genevoise, die seit 1991 angelegt werden. Seit 1995 arbeitet man in grenzüberschreitender Kooperation. Ein kantonaler Aktionsplan ist in Ausarbeitung.
- Tessin: In der Magadinoebene erfolgen Lebensraumverbesserungen. Zwei verschiedene Typen künstlicher Nisthöhlen wurden getestet (Ficedula und SVS/BirdLife Schweiz mit Unterstützung durch den Kanton Tessin).
- Im Rahmen des Programms «Artenförderung Vögel Schweiz» wird 2012 ein nationaler Aktionsplan veröffentlicht.
Forschungsprogramme
- Die Bestände in allen Steinkauz-Regionen werden jährlich durch die Projektteams erhoben.
- Eine Untersuchung über die Nahrung der Steinkäuze läuft im Tessin. Mittels Telemetrie wird in der Magadinoebene zudem die Raumnutzung der Steinkäuze studiert.
- Die Schweizerische Vogelwarte führt in Württemberg D ein umfangreiches Forschungsprogramm zu Überlebensraten und Dispersal von Jung- und Altvögeln durch. In diesem Rahmen laufen verschiedene Bachelor-, Masterarbeiten und Dissertationen in Zusammenarbeit mit verschiedenen Universitäten.
Bekannte Artenförderungsmassnahmen national und international
- Im Steinkauzprojekt Südbaden (D) konnten durch eine hohe Dichte an mardersicheren Niströhren sowohl der Anteil erfolgreicher Bruten von 50 % auf über 80 % stark gesteigert werden, als auch die Ansiedlungsraten von Jungvögeln erhöht werden.
- Die Aufwertung der Habitate durch Massnahmen im Rahmen der landwirtschaftlichen Vernetzungsprojekte, insbesondere die Förderung von Hochstammobstgärten mit extensiven oder wenig intensiven Wiesen und Weiden im Unternutzen und Brachen in der Nachbarschaft sowie die Bereitstellung möglichst zahlreicher Kleinstrukturen erhöhen das Nahrungsangebot.
- Das gestaffelte Mähen hochrasiger Wiesen in der Nestumgebung zur Nestlingszeit erhöht den Bruterfolg.
Notwendige Projekte (Artenförderung, Forschung, Monitoring)
- Obstgartenschutz einschliesslich extensiv und möglichst kleinparzellig genutzter Wiesen/Weiden unter den Bäumen.
- Sicherstellung von Flächen mit lückiger Vegetation in Steinkauzrevieren; Förderung von Dauerweiden mit zahlreichen Kleinstrukturen.
- Vernetzung und Vergrösserung der potenziellen Bruthabitate durch Bereitstellung von Flächen mit geeigneter Revierausstattung.
- Evaluation der aktuellen Eignung ehemals besiedelter Standorte.
- Absatzförderung von Produkten aus Hochstammobstgärten.