© Adrian Wullschleger
Steinhuhn
Elemente für Artenförderungsprogramme Vögel Schweiz
Die folgenden Informationen basieren auf dem Bericht von Spaar et al. (2012).
1. Hintergrundinformationen
Aktuelle Entwicklung von Verbreitung und Bestand
Das Steinhuhn erreicht in der Schweiz die nördliche Verbreitungsgrenze seines zentralmediterranen Areals. Die Schwerpunkte der Verbreitung befinden sich gegenwärtig in den westlichen Voralpen und Alpen, im Wallis, Tessin und in Graubünden. Beobachtungen unterhalb 1000 m ü.M. sind heute praktisch auf den Winter beschränkt, und die früher vor allem im Wallis und Tessin besiedelten Gebiete bis unterhalb 600 m ü.M. sind verwaist. Das generelle Verbreitungsbild hat sich zwischen den 1970er- und den 1990er-Jahren nicht wesentlich verändert. Hingegen weist der Bestand starke Schwankungen auf, der die Analyse der längerfristigen Bestandsentwicklung schwierig macht. Seit den späten 1990er-Jahren überwiegen Jahre mit tiefen Beständen deutlich. Der Aufzuchterfolg ist stark witterungsabhängig, auf warm-trockene Sommer folgt eher eine Zunahme und umgekehrt. Zudem dürfte die Bestandsentwicklung stark durch die Wintermortalität beeinflusst werden: Kalte, schneereiche Winter (v.a. während des Spätwinters) wirken sich negativ aus. Potenzielle Brutplätze im Randbereich der Verbreitung sind vor allem in den nördlichen Voralpen nicht regelmässig besetzt.
Lebensraumansprüche
Das Steinhuhn bevorzugt alpine Rasen an südexponierten Hängen mit eingestreuten Blockfeldern, Zwergstrauchflächen, vegetationsarmen Flächen und einzelnen Bäumen, Sträuchern oder Felsblöcken. Gebiete, auf denen sich nach der Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung (vielfach ehemals Ziegenweide, Heugewinnung, in tieferen Lagen auch Ackerbau) der Baum- und Strauchbestand, aber auch eine hohe Krautschicht stark entwickeln, werden gemieden. Hohe Schneelagen zwingen das Steinhuhn zu Ausweichbewegungen in Gebiete mit aperen Stellen. Diese Flächen können im Bereich des engeren Brutgebietes (manchmal auch in noch grösserer Höhe) liegen, aber auch Maiensässe sowie Heuschober werden gerne aufgesucht, und gelegentlich treten unter diesen Umständen Steinhühner auch im Talgrund auf.
Gefährdung
Die grösste Gefährdung für das Steinhuhn geht heute von der Vegetationssukzession, vor allem nach Nutzungsaufgabe, aus. Davon sind insbesondere die Brutgebiete in tieferen Lagen und Ausweichgebiete bei hohen Schneelagen betroffen. In hochgelegenen Brutgebieten verläuft die Sukzession sehr viel langsamer, und die Gebiete behalten ihre Eignung auch längerfristig. Eine Gefährdung geht ferner lokal von touristischen Anlagen aus, die ein grosses Störungspotenzial haben und die Mortalität erhöhen können (z.B. Kollisionen mit Skiliftkabeln). Einzelne Autoren machen auch intensive Beweidung durch Schafe für (lokale) Rückgänge verantwortlich.
Limitierende Faktoren
Angebot an ungestörten, stark besonnten Hängen mit eingestreuten Blockfeldern, Zwergstrauchflächen, alpinen Rasen, vegetationsfreien Flächen und einzelnen Bäumen, Sträuchern, Felsblöcken und Steillagen (z.B. Felswände) mit im Winter aperen Stellen. Bei hoher Schneelage ist das Vorhandensein von schneefreien Strukturen entscheidend.
Perspektive
Weil der Steinhuhnbestand entsprechend den klimatischen Bedingungen stark schwankt, sind die Perspektiven schwierig abzuschätzen. Wenn wir die Entwicklung des Habitats einbeziehen, dürfte sich die Situation eher verschlechtern. Immer mehr Flächen, die früher durch die Beweidung mit Ziegen offen gehalten wurden oder der Heugewinnung dienten, verbuschen bzw. werden bewaldet und gehen für das Steinhuhn nicht nur als Bruthabitat, sondern auch als Ausweichflächen bei hohen Schneelagen verloren. Ausserdem dürften die Auswirkungen der Freizeitaktivitäten wie Lebensraumzerstörung und direkte Störungen gerade in höheren Lagen in den nächsten Jahren eher noch zunehmen.
Schutzstatus
Rote Liste CH: NT, potenziell gefährdet
Priorität CH: B1, potenziell gefährdete Art mit hoher internationaler Verantwortung der Schweiz
Konventionen: Berner Konvention: geschützt (Anhang 3)
2. Laufende Aktivitäten, Erfahrungen aus Schutz und Forschung
Laufende Schutzmassnahmen und Programme
Es sind keine spezifischen Massnahmen oder Programme bekannt.
Forschungsprogramme
- Für das Steinhuhn fehlt bisher ein gesamtschweizerisches Überwachungsprogramm, das verlässliche Daten über die Bestandsentwicklung von Jahr zu Jahr liefert. Die Sammlung von Zufallsbeobachtungen durch die Schweizerische Vogelwarte erlaubt eine Trendschätzung. Die Jagdverwaltungen der Kantone Tessin und Graubünden sammeln gezielt Daten in Zusammenarbeit mit der Wildhut.
- In Kärnten wurde das Steinhuhn in den 1990er-Jahren im Rahmen einer dreijährigen Studie mittels Telemetrie untersucht und in den Französischen Seealpen wurden Steinhühner in einer Steinhuhn-Rothuhn-Hybridzone in ähnlichem Rahmen erforscht.
Bekannte Artenförderungsmassnahmen national und international
In Frankreich engagiert sich eine grosse Zahl von Jägern bei der Bereitstellung von ”Wildäckern” (cultures à gibier). Auf kleinen Parzellen im Überwinterungsgebiet des Steinhuhns zwischen 1200 und 2000 m ü.M. werden verschiedene Getreidesorten und andere Kulturpflanzen angebaut. Solche Flächen werden von den Vögeln tatsächlich genutzt. Die Auswirkungen auf die lokale Bestandsentwicklung wurden bisher nicht untersucht.
Notwendige Projekte (Artenförderung, Forschung, Monitoring)
- Etablierung des Monitorings auf ausgewählten Flächen. Versuch einer Bestandsschätzung.
- Habitatanalyse in Kerngebieten: Wie gross ist die Gefahr der Wiederbewaldung? Gibt es Möglichkeiten, sie zu stoppen?
- Wie wirkt sich der Verlust an Strukturen wie Heuschober oder Ställen auf die Mortalität im Winter aus?
- Welchen Einfluss haben Nährstoffeintrag und Bewässerung bzw. die damit verbundene Veränderung der Vegetationszusammensetzung auf das Steinhuhn?