© Ruedi Aeschlimann
Rotkopfwürger
Elemente für Artenförderungsprogramme Vögel Schweiz
Die folgenden Informationen basieren auf dem Bericht von Spaar et al. (2012).
1. Hintergrundinformationen
Aktuelle Entwicklung von Verbreitung und Bestand
Die Art ist unmittelbar vom Verschwinden aus der Schweiz bedroht. Aktuell brüten kaum mehr als ein bis zwei Paare im Kanton Basel-Landschaft und nicht mehr alljährlich. In der Zeit zwischen 1972 und 1976 konnte der Rotkopfwürger noch in 15 Kantonen als Brutvogel nachgewiesen werden und 1977–1979 schätzte man seinen Bestand in der Schweiz auf 110 Brutpaare, wobei sich mehr als die Hälfte in den Obstbaugebieten der Kantone Baselland und Aargau konzentrierten.
Lebensraumansprüche
In der Schweiz beschränkt sich das Vorkommen des Rotkopfwürgers auf Hochstammobstgärten in tiefen Lagen (meistens unterhalb 600 m ü.M.) mit extensiv bewirtschafteten, lückigen Weiden und Wiesen in der Unterkultur. Reichliches und gut erreichbares Nahrungsangebot, v.a. Grossinsekten, sind wichtig.
Gefährdung
In der Schweiz besteht ein Mangel an geeigneten Lebensräumen, insbesondere in Bezug auf das Nahrungsangebot und dessen leichte Erreichbarkeit. In den verbliebenen, isolierten Kleinstbeständen reicht der Fortpflanzungserfolg für die Bestandserhaltung, geschweige denn eine Zunahme nicht aus. Es wandern zu wenige Individuen aus anderen Beständen ein, mit denen Verluste von Altvögeln ausgeglichen werden könnten. Erhöhte Mortalität auf dem Zug und im Winterquartier infolge intensivierter Landwirtschaft mit Insektizideinsatz sowie Dürren in der Sahel-Zone werden als Mitursache für die langfristigen Bestandsverluste erwähnt. Unklar ist der Einfluss von Nestprädation.
Limitierende Faktoren
Hochstammobstgärten mit gutem Angebot an Gross-insekten. Lückige Bodenvegetation und damit gute Sicht- bzw. Erreichbarkeit der Beutetiere.
Perspektive
Der Schweizer Rotkopfwürgerbestand ist an einem sehr kritischen Tiefpunkt angelangt. Er steht kurz vor dem Erlöschen oder hat es bereits getan. Auch wenn in der Vergangenheit wiederholt Spontanansiedlungen, mitunter weitab der damaligen Besiedlungszentren, festgestellt wurden, wird die Art ohne grosszügige Lebensraumaufwertung mit grösster Wahrscheinlichkeit als Brutvogel ganz verschwinden.
Schutzstatus
Rote Liste CH: CR, vom Aussterben bedroht
Priorität CH: B2, gefährdete Art mit geringer internationaler Verantwortung der Schweiz
Konventionen: Berner Konvention: streng geschützt (Anhang 2)
2. Laufende Aktivitäten, Erfahrungen aus Schutz und Forschung
Laufende Schutzmassnahmen und Programme
Im Kanton Basel-Landschaft läuft ein Förderungsprogramm für Obstgarten bewohnende Vogelarten des SVS/BirdLife Schweiz, der Schweizerischen Vogelwarte und Sektionen des SVS-Kantonalverbandes BNV.
Forschungsprogramme
Momentan keine.
Bekannte Artenförderungsmassnahmen national und international
- Extensive Unternutzung in und angrenzend an Hochstammobstgärten fördern, z.B. mittels extensiver Beweidung.
- Gestuftes Mahdregime, Schnitt mit Balkenmäher durchführen.
- Zusammenhängende Obstgärten von mindestens 5 ha Grösse fördern, und Flächen vernetzen, indem grössere wartenfreie Flächen mit Warten bestückt werden (z.B. Bäume pflanzen).
- Nahrungsangebot erhöhen mittels Anlage von blumenreichen Streifen und Buschgruppen sowie vegetationsfreien Flächen, z.B. durch regelmässiges Eggen in unmittelbarer Nachbarschaft.
- Pro Hektare rund 20 Bäume anstreben.
- Tote, dürre Äste an alten Bäumen belassen; sie sind bevorzugte Jagdwarten.
- Sparsamer Einsatz von Spritzmitteln.
- Zu Vorkommen direkt benachbarte Ackerränder: Einsaat einer Blumenmischung zur Erhöhung der Vielfalt an Wirbellosen.
Notwendige Projekte (Artenförderung, Forschung, Monitoring)
- Förderung von Hochstammobstgärten mit optimal genutzten Wiesen und Weiden in der Unterkultur.
- Evaluation der aktuellen Eignung ehemals besiedelter Standorte.
- Evaluation alternativer Landschaftsstrukturen als Ersatz für verschwindende Hochstammobstgärten.