© Marcel Burkhardt

Kiebitz

Elemente für Artenförderungsprogramme Vögel Schweiz

Die folgenden Informationen basieren auf dem Bericht von Spaar et al. (2012).

1. Hintergrundinformationen

Aktuelle Entwicklung von Verbreitung und Bestand
Der Kiebitz brütet in der Schweiz im Mittelland unterhalb 600 m und dringt nur an einigen Stellen in grosse Alpentäler vor (Rheintal, Rhonetal, Thunersee). Das Verbreitungsgebiet dehnte sich von 67 besetzten Atlasquadraten (10 x 10 km) 1950–1959 auf 116 1972–76 aus. Seither schrumpft das Verbreitungsareal und umfasste 1985–88 101 Quadrate, 1993–96 noch 94. 1949 wurde der Bestand auf 178, 1959 auf 360, 1970 auf mindestens 730 Brutpaare, und Mitte der 1970er-Jahre auf über 1000 BP geschätzt. Diese Zahlen sind allerdings wegen möglicher Umsiedlungen innerhalb einer Brutsaison mit einer gewissen Unschärfe behaftet. Danach nahm der Brutbestand wieder stark ab: 1985–88 brüteten rund 900 BP, 1993–96 400–500 BP und 2010 nur noch 124 BP. Die in der Schweiz beobachtete Entwicklung ist in ganz Mitteleuropa festzustellen.

Lebensraumansprüche
Flache, weithin offene, baumarme und zumindest teilweise bodenfeuchte Flächen mit fehlender oder kurzer Vegetation. Gutes Nahrungsangebot (Käfer, Insektenlarven, Spinnen, Regenwürmer), insbesondere wichtig für die Küken. Ursprünglich bewohnte der Kiebitz nur Riedland, besonders Pfeifengraswiesen, die gemäht wurden. Nach dem Verschwinden dieser Biotope begann er im Kulturland zu brüten, v.a. auf Äckern, in geringerem Ausmass auch auf Weiden und Wiesen. Seit 1992 brüten Kiebitze vereinzelt auf Flachdächern. 2010 waren in der Schweiz 7 Brutorte bekannt. Diese Flachdächer sind ökologische Fallen, denn der Bruterfolg ist praktisch gleich null.

Gefährdung
Lebensraumverlust durch moderne Bewirtschaftungsmethoden, landschaftliche und wasserwirtschaftliche Veränderungen (Zerstörung von Feuchtflächen, Landverlust). Geringer Bruterfolg wegen intensiver Bewirtschaftung (z.B. häufige Bodenbearbeitung, Düngung, frühe und häufige Mahd). Nahrungsmangel für die Jungen durch intensive Landnutzung und Trockenheit. Hoher Prädationsdruck in der monotonen Feldflur (Einzelpaare und Kleinkolonien haben bei hohen Prädatordichten sehr geringen Bruterfolg). Störungen. Hoher Jagddruck in Frankreich und Italien.

Limitierende Faktoren
Angebot an weiten, leicht bodenfeuchten Flächen mit kurzer und lückiger Vegetation, die von April bis (mindestens) Ende Mai nicht mechanisch bearbeitet werden und ungestört sind (Hunde etc.). Hoher Prädationsdruck durch Rabenkrähen und Elstern, Füchse und teilweise Greifvögel. Verringerte Immigration aus umliegenden Ländern in Brutgebiete in der Schweiz.

Perspektiven
Ungewiss. Gemäss einer Untersuchung aus den 1970er-Jahren ist der Bruterfolg in der Schweiz mit < 0,4 flüggen Jungen/Paar-Jahr zu gering, um die natürlichen Verluste auszugleichen; dazu braucht es mind. 0,8 flügge Junge pro Paar und Jahr. Zur Verbesserung der Situation muss vorrangig die Produktivität stark erhöht werden. Ein umfassendes Artenförderungsprojekt im Wauwilermoos zeigt, dass dies möglich ist, wenn das Engagement der involvierten Kreise (Landwirtschaft, Jagd, Naturschutz) und die Mittel vorhanden sind.

Schutzstatus
Rote Liste CH: CR, vom Aussterben bedroht
Priorität CH: B2, gefährdete Art mit geringer internationaler Verantwortung der Schweiz
Konventionen: Berner Konvention: geschützt (Anhang 3)
Bonner Konvention: wandernde Vogelart, für die Abkommen zu schliessen sind (Anhang 2)
AEWA Annex 2 (B2c)

2. Laufende Aktivitäten, Erfahrungen aus Schutz und Forschung

Laufende Schutzmassnahmen und Programme

Forschungsprogramme
Das Artenförderungsprojekt im Wauwilermoos LU läuft seit 2005 und wird durch eine wissenschaftliche Erfolgskontrolle begleitet (Farbberingen der Jungen, Telemetrie der Küken): Untersuchung des Brut-, Schlüpf- und Aufzuchtserfolgs im Zusammenhang mit Nesterschutz vor Landwirtschaft und Prädation; Prüfung von kiebitzfreundlichen Bewirtschaftungsmethoden und speziellen Ackerkulturen (Kiebitzbrachen).

Bekannte Artenförderungsmassnahmen national und international

Notwendige Projekte (Artenförderung, Forschung, Monitoring)