© Ruedi Aeschlimann
Dohle
Elemente für Artenförderungsprogramme Vögel Schweiz
Die folgenden Informationen basieren auf dem Bericht von Spaar et al. (2012).
1. Hintergrundinformationen
Aktuelle Entwicklung von Verbreitung und Bestand
Die Dohle ist in der Schweiz ein verbreiteter Brutvogel vor allem im Mittelland und im östlichen Jura. Entlang klimatisch günstiger, warm-trockener Täler dringt sie auch weit in die Alpen vor. Zwischen 1972–76 und 1993–96 hat sich die Verbreitung ausgedünnt, und der Bestand hat zwischen 1972–78 und 1989 von 1530 auf rund 1000 Brutpaare abgenommen; er dürfte aktuell zwischen 1100 und 1200 Brutpaaren liegen.
Lebensraumansprüche
Die Dohle brütet meist kolonieweise in Höhlen von Gebäuden und Konstruktionen (Kirchen, Burgen, Ruinen) resp. in Nistkästen (an Silos, Masten etc.), in Parks und Altholzbeständen (hier vor allem in Schwarzspechthöhlen) und an Felsen nahe an offenen oder teilweise offenen Landschaften. Allerdings sind Felsbrüter in neuerer Zeit an vielen Orten verschwunden. Die Nahrung wird auf Flächen mit lückigem Bewuchs oder kurzrasiger Vegetation gesucht, die möglichst nahe bei den Brutplätzen liegen. Das Grünland im Landwirtschaftsgebiet wird nur zu Beginn der Vegetationsperiode, nach der Mahd oder während der Beweidung genutzt. Sobald die Vegetation eine Höhe von 15–20 cm erreicht, werden diese Flächen gemieden.
Gefährdung
Dohlen leiden in erster Linie unter mangelnder Verfüg- und Erreichbarkeit von wirbellosen Tieren als Nestlingsfutter. Sie weichen deshalb vor allem während der zweiten Hälfte der Nestlingsperiode auf weniger geeignete Siedlungsabfälle aus. Der Verlust von günstigem Brutraum infolge Gebäudesanierungen und Massnahmen gegen die Strassentaube sowie Holzschlag und Sturmschäden in Wirtschaftswäldern sind weitere Gefährdungsfaktoren.
Limitierende Faktoren
Tierische Nahrung hoher Qualität (Käfer, Hautflügler, Schmetterlinge, Heuschrecken), in Kombination mit kurzrasigen und lückig bewachsenen Flächen und damit guter Erreichbarkeit der Nahrung sowie einem guten Angebot an Nisthöhlen.
Perspektive
Aufgrund des niedrigen Fortpflanzungserfolgs von Dohlen in Siedlungen des Mittellandes und dem Verlust von Höhlenbäumen in Wirtschaftswäldern muss ohne Artenförderungsmassnahmen mit einer Abnahme in Kolonien im Siedlungsgebiet resp. dem Erlöschen von Baumkolonien und damit einer Abnahme des schweizerischen Gesamtbestands gerechnet werden.
Schutzstatus
Rote Liste CH: VU, verletzlich
Priorität CH: B2, gefährdete Art mit geringer internationaler Verantwortung der Schweiz
Konventionen: keine
2. Laufende Aktivitäten, Erfahrungen aus Schutz und Forschung
Laufende Schutzmassnahmen und Programme
An diversen Kolonien im Siedlungsgebiet wurden und werden Nisthilfen angebracht und unterhalten, und die bestehenden Brutorte werden überwacht (vgl. Forschungsprogramme).
Forschungsprogramme
- Im Rahmen eines Überwachungsprojekts der Schweizerischen Vogelwarte wird die Bestandsentwicklung der Dohle seit 1989 alljährlich auf einer repräsentativen Fläche (Kantone Bern und Solothurn; bis 2009), und schweizweit in einigen Kolonien überwacht. In einigen Kolonien (Andelfingen, Uster, Murten, Zürich, Zofingen) wird der Fortpflanzungserfolg erhoben und z.T. werden die Jungen beringt.
- Eine Diplomarbeit in der Kolonie in Murten untersuchte den Einfluss der Nestlingsnahrung auf das Wachstum und den Aufzuchterfolg der Dohle (Schweizerische Vogelwarte, Universität Zürich). Die Nestlingssterblichkeit war trotz Zufütterung der Jungen hoch, was ein Hinweis darauf ist, dass die Jungvögel bereits beim Schlüpfen eine schlechte Konstitution aufweisen. Die geringe Jungenproduktion im städtischen Bereich wurde mit der qualitativ nicht ausreichenden Nahrungsbasis (vor allem Essensreste und Küchenabfälle) in Zusammenhang gebracht.
- Die Dohlen haben unweit von Murten die bereitgestellten Nistkästen sofort besiedelt und erzielen hier einen guten Bruterfolg.
Bekannte Artenförderungsmassnahmen national und international
In Deutschland wurde die Ansiedlung in zentrumsfernen Gebäudekolonien mit geeigneten, angrenzenden Nahrungsflächen gefördert. Einzige bekannte erfolgreiche Artenförderungsmassnahme ist die Bereitstellung von Nisthilfen in der Nähe von günstigen Nahrungsflächen.
Notwendige Projekte (Artenförderung, Forschung, Monitoring)
- Bereitstellen von Nisthilfen, wo Dohlen während der Brutzeit Futter suchen.
- Extensive Beweidung von Flächen im Bereich der Nisthöhlen.
- Erhöhung des Nistkastenangebots für Baumkolonien im Bereich günstiger Nahrungsbiotope und begleitendes Monitoring. Vergleich von Bruterfolg, Nestlingsnahrung und Nahrungsflächen (Vegetationsdichte, -höhe, Nahrungsangebot) zwischen florierenden Kolonien und solchen mit Bestandsabnahmen im Mittelland.