© Ruedi Aeschlimann
Mehlschwalbe
Merkblätter
Unter einem Dach mit der Mehlschwalbe – Informationen für Private.
Michler, S., P. Aelvoet, R. Spaar (2018)
Schweizerische Vogelwarte Sempach
Wohnungsnot bei der Mehlschwalbe – Informationen für Gemeinden.
Michler, S., P. Aelvoet, R. Spaar (2018)
Schweizerische Vogelwarte Sempach
Mehlschwalben fördern.
Schwarzenbach, Y., B. Scheel, R. Ayé & S. Jaquier (2014)
Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz
Schweizerische Vogelwarte Sempach, BirdLife Schweiz, Nos Oiseaux
Elemente für Artenförderungsprogramme Vögel Schweiz
Die folgenden Informationen basieren auf dem Bericht von Spaar et al. (2012).
1. Hintergrundinformationen
Aktuelle Entwicklung von Verbreitung und Bestand
Die Mehlschwalbe ist in der Schweiz vom Flachland bis in die Berge weit verbreitet. Die grössten Dichten werden im Mittelland erreicht. Über 1000 m ü.M. nimmt ihre Häufigkeit deutlich ab, vor allem nördlich der Alpen. Spätestens seit den späten 1980er-Jahren haben die Bestände abgenommen, die Entwicklung ist aber in einzelnen Kolonien unterschiedlich. Während Kolonien mit mehreren hundert Brutpaaren in den 1970er-Jahren noch häufiger waren, zählt man heute nur noch eine Hand voll Standorte mit mehr als 200 Paaren. Die Anzahl der Kolonien ist in einem Grossteil des Landes ebenfalls rückläufig.
Lebensraumansprüche
Die Mehlschwalbe hält sich vor allem im offenen und halboffenen Gelände auf und meidet ausgedehnte Waldflächen. Während sie im Mittelland ihre Nester meist an Gebäuden und anderen Bauten anbringt, brütet sie in den Alpen und Voralpen auch an Felswänden. Südlich der Alpen werden zudem Steinbrüche besiedelt.
Die Bedingungen, welche über die Wahl eines Gebäudes als Neststandort entscheiden (Höhe, Struktur, Orientierung, etc.), sind bis heute noch wenig bekannt. Mehlschwalben sind ihren Kolonien sehr treu, vorausgesetzt diese werden nicht zerstört oder man hindert die Vögel nicht daran, sich anzusiedeln.
Die Verfügbarkeit von Nahrungsressourcen (kleine und mittelgrosse Fluginsekten) spielt für die Verteilung und Dichte der Bestände eine Rolle, ebenso wie der Zugang zu feuchter Erde während der Nestbauphase (Ende April bis Anfang Juni).
Mehlschwalben nehmen gerne künstliche Nisthilfen an. Individuen, welche gewöhnlich ihr eigenes Nest bauen, machen jedoch nicht unbedingt davon Gebrauch, so dass nicht alle angebotenen Nisthilfen besetzt werden.
Ein ausreichendes Angebot an Insekten ist für die Mehlschwalbe unabdingbar. Dieses kann durch naturnahe Gärten, Parkanlagen, Strassenborde und weitere Flächen im Siedlungsraum verbessert werden. Die fortschreitende Versiegelung solcher Flächen ist zu verhindern. Ökologische Ausgleichsflächen in Siedlungsnähe tragen ebenfalls zum Nahrungsangebot der Mehlschwalbe bei.
Gefährdung
Die aktuelle Abnahme der Bestände hat dazu geführt, dass die Mehlschwalbe 2010 als «potenziell gefährdet» in die Rote Liste der bedrohten Vogelarten und in die Liste der Prioritätsarten Artenförderung aufgenommen wurde.
Eine der Hauptgefährdungsursachen ist die fehlende Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber von Brutkolonien in den Agglomerationen, wegen der Verschmutzung der Gebäude durch die Vögel. Aber auch die Abnahme der Biomasse an Fluginsekten ist ein limitierender Faktor, der eine Erholung der Bestände in gewissen Regionen verhindert. Schliesslich begrenzt der Mangel an Bodensubstrat die Möglichkeit für den Nesterbau, und neue Bautechniken (verglaste Gebäude, fehlende Vordächer, glatte Aussenwände) beeinträchtigen die Verankerung der Nester an den Gebäuden.
Als Langstreckenzieherin ist die Mehlschwalbe auch von den klimatischen Bedingungen und dem Nahrungsangebot auf den Zugrouten und in den afrikanischen Überwinterungsquartieren abhängig.
Limitierende Faktoren
- Geeignete Gebäude
- Menschliche Akzeptanz
- Naturwege und andere offene Bodenstellen mit lehmigen Pfützen
- Unversiegelte und naturnah gestaltete Flächen im Siedlungsraum, welche zum Insektenangebot beitragen (Gärten, Parks, Strassenborde, etc.)
- Ökologische Ausgleichsflächen in der Umgebung von bestehenden Kolonien (Angebot an Insekten).
Perspektiven
Die Mehlschwalbe gilt eigentlich als Sympathieträgerin und findet auch in den Medien häufige Erwähnung. Sie ist auf Nistmöglichkeiten in den Siedlungen und die Toleranz der Bevölkerung angewiesen. Die Förderung der Bestände mit Hilfe künstlicher Nisthilfen und die Steigerung der Akzeptanz in der Bevölkerung sind daher wichtige Mittel, um den Negativtrend zu brechen.
Schutzstatus
Rote Liste CH: NT, potentiell gefährdet
Priorität CH: B2, potenziell gefährdete Art mit geringer internationaler Verantwortung der Schweiz
Konventionen: Berner Konvention: streng geschützte Art (Anhang 2)
2. Laufende Aktivitäten, Erfahrungen aus Schutz und Forschung
Laufende Schutzmassnahmen und Programme
Der SVS/BirdLife Schweiz, mehrere Kantonalverbände wie z.B. BirdLife Zürich oder BNV und zahlreiche Sektionen haben zusammen mit Partnern in vielen Gemeinden Schwalbenhäuser für die Mehlschwalbe aufgestellt. Mehrere davon sind bereits in den ersten Jahren besiedelt worden. Die Förderung geht oftmals mit der Kampagne Biodiversität im Siedlungsraum einher, die u.a. das Insektenangebot verbessern soll.
Laufende Forschungsprogramme
Die Bestandsentwicklung der Mehlschwalbe wird im Rahmen der Überwachungsprojekte der Schweizerischen Vogelwarte verfolgt.
Notwendige Projekte (Artenförderung, Forschung, Monitoring)
- Lancierung von Förderungsprojekten zur Sicherung und Schaffung von Brutplätzen in nahrungsreichen Gebieten und ökologische Aufwertung der Kulturlandschaft und des Siedlungsraums in der Nähe aktueller Vorkommen.
- Studien, welche die Rückgangsursachen von Insektenvorkommen erforschen, wären sowohl für Schwalben als auch für andere insektenfressende Vogelarten wichtig.
- Populationsbiologische Studien an ausgewählten Kolonien, um Ursachen für Bestandsrückgänge genauer zu untersuchen (Bruterfolg, Sterblichkeit, Rückkehrrate).
- Besenderung von Individuen mit Lichtloggern, um eventuelle Probleme in den Winterquartieren und auf dem Zug zu erforschen.