© Beat Rüegger
Gartenrotschwanz
Merkblätter
Bauanleitung Gartenrotschwanz-Nistkasten Modell Harr.
Schweizerische Vogelwarte (2016)
Schweizerische Vogelwarte, Sempach
Vögel brauchen lückige Vegetation zur Nahrungssuche. Faktenblatt.
Schaub, M., N. Zbinden, N. Martinez, M. Maurer, A. Ioset, R. Spaar, N. Weisshaupt & R. Arlettaz (2008)
Schweizerische Vogelwarte, Sempach
Lebensräume für den Gartenrotschwanz. Artenförderungs-Merkblatt.
Gerber, M. (2007)
Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz, Zürich
Elemente für Artenförderungsprogramme Vögel Schweiz
Die folgenden Informationen basieren auf dem Bericht von Spaar et al. (2012).
1. Hintergrundinformationen
Aktuelle Entwicklung von Verbreitung und Bestand
Der Gartenrotschwanz kommt in der ganzen Schweiz von den Niederungen bis zur Baumgrenze vor. Während die Art südlich der Alpen in zusammenhängenden Teilpopulationen vorkommt, bestehen die Vorkommen nördlich der Alpen heute vielfach nur aus weit verstreuten Einzelpaaren. Die höchsten Dichten werden bis etwa 1000 m ü.M. erreicht. Der Bestand ist in der Schweiz seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgrund der sich verschlechternden Lebensbedingungen im Brutgebiet rückläufig und hat in den 1970er-Jahren zusätzliche Einbrüche durch Dürren im Winterquartier erlitten. Mindestens regional geht der Rückgang bis heute unvermindert weiter. Zwischen den beiden Atlas-Perioden 1972–76 und 1993–96 nahm die Siedlungsdichte in der Schweiz insbesondere in den Niederungen ab. Im Kanton Zürich hat der Gartenrotschwanz zwischen 1986/88 und 2008 um 84 % abgenommen. Hingegen sind periurbane Populationen des Gartenrotschwanzes, z.B. in den Kantonen Basel-Stadt, Genf und Neuenburg, stabil geblieben.
Lebensraumansprüche
Ursprünglich besiedelte der Gartenrotschwanz lichte oder aufgelockerte, eher trockene Altholzbestände; Bäume dürfen nie fehlen. Heute bewohnt er extensiv oder wenig intensiv bewirtschaftete Obstgärten, Grünzonen in Siedlungen von Grossstädten bis zu Dörfern sowie Waldränder und lichte Wälder. Bei Leuk schuf ein Waldbrand 2003 eine sehr offene, lichtreiche Waldstruktur mit lückiger Bodenvegetation, worauf die Revierzahl sehr bald von praktisch null auf fast 100 Reviere im Jahr 2008 anwuchs; mit der Waldsukzession dürfte die Revierzahl aber wieder sinken. Periurbane Populationen sind wahrscheinlich auf einen hohen Anteil unversiegelten Bodens sowie auf naturnahe und strukturreiche Gärten mit Bäumen angewiesen. Wartenjagd ist die hauptsächliche Methode des Nahrungserwerbs. Sie erfordert ein Mosaik von extensiven Wiesen oder anderen insektenreichen Vegetationsbeständen einerseits und kurzrasiger Bodenvegetation oder ganz offenen Bodenstellen andererseits. Dies findet sich z.B. in Rebbergen und in Gebieten mit unbefestigten Wegen.
Gefährdung
Der starke Rückgang im Kanton Zürich seit den 1980er-Jahren wird dem Verlust von Hochstammobstgärten, u.a. durch die Ausdehnung der Siedlungsflächen sowie der intensiven Grünlandnutzung zugeschrieben. Zusätzlich dürften moderne Mähtechniken, Dünger- und Pestizideinsatz sowie Umweltgifte das Nahrungsangebot schmälern. Da regional nach wie vor recht hohe Dichten erreicht werden, dürfen die Probleme auf dem Durchzug und im Überwinterungsgebiet gegenüber denjenigen im Brutgebiet nicht überbewertet werden. Ein hoher Anteil an unverpaarten Männchen bzw. diverse Beobachtungen von Mischpaaren mit Hausrotschwänzen deuten darauf hin, dass örtlich eine kritische Bestandsgrösse erreicht sein könnte.
Limitierende Faktoren
Angebot an grossflächigen (>3 ha) Hochstammobstgärten mit extensiver Unternutzung oder an parkartigen Landschaften (inklusive Villenquartiere) mit gutem Insektenangebot. Angebot an lückiger Vegetation und offenen Bodenstellen in nahrungsreichen Lebensräumen. Angebot an geeigneten Nisthöhlen. Fördern von insektenreichen Strukturen in Gärten, inkl. Freizeitgartenarealen.
Perspektive
Mit der Erhöhung der Anforderungen an die Qualität und Vernetzung der ökologischen Ausgleichsflächen kann in einigen Gebieten eine Verbesserung der Lebensraumqualität in Hochstammobstgärten erwarten werden, doch wird diese positive Entwicklung durch den weiteren Verlust an Obstgartenflächen, vor allem durch Überbauung, wohl wieder zunichte gemacht.
Schutzstatus
Rote Liste CH: NT, potenziell gefährdet
Priorität CH: B2, gefährdete Art mit geringer internationaler Verantwortung der Schweiz
Konventionen: Berner Konvention: streng geschützt (Anhang 2)
Bonner Konvention: wandernde Vogelart, für die Abkommen zu schliessen sind (Anhang 2)
2. Laufende Aktivitäten, Erfahrungen aus Schutz und Forschung
Laufende Schutzmassnahmen und Programme
- Obstgartenpflege im Rahmen des ökologischen Ausgleichs bzw. der Ökoqualitätsverordnung.
- Hochstammobstgartenkampagne des SVS/BirdLife Schweiz und Verein Hochstamm Suisse.
Forschungsprogramme
- Die Bestandsentwicklung des Gartenrotschwanzes wird im Rahmen der Überwachungsprojekte der Schweizerischen Vogelwarte verfolgt.
- N. Martinez untersucht in der Nordwestschweiz den Einfluss von lückiger Vegetation und offenen Bodenstellen auf den Bruterfolg. Diese Fragestellung ist hochgradig schutzrelevant.
- Die Schweizerische Vogelwarte versucht mit Datenloggern, Aufschluss über die Winterquartiere der Art zu bekommen.
- Le Groupe Rougequeue à front blanc untersucht in La Chaux-de-Fonds die Habitatansprüche periurbaner Populationen.
Bekannte Artenförderungsmassnahmen national und international
- Die Förderung von Hochstammobstgärten mit pestizidfreier oder mindestens pestizidarmer Bewirtschaftung und extensiven Wiesen oder Weiden im Unternutzen schafft vor allem dann günstige Bedingungen, wenn innerhalb des Obstgartens oder in unmittelbarer Nähe lückige Vegetation, Asthaufen, Steinhaufen, Holzbeigen, Gärten, Reben und andere Kleinstrukturen vorhanden sind. Lückige Vegetation kann durch Anlage von Ruderalflächen mit Oberbodenabtrag und Kieseinlage oder durch Auffräsen des Oberbodens geschaffen werden.
- In Nachbarschaft bestehender Vorkommen können sehr lichte, nicht verbuschende Waldränder mit grasartiger Vegetation besiedelt werden. In Absprache mit Experten sind entsprechende Massnahmen an geeigneten Standorten sinnvoll.
Notwendige Projekte (Artenförderung, Forschung, Monitoring)
- Obstgartenschutz: Erhöhung der Baumzahl und entsprechend der Hochstammfläche, Stehenlassen alter Bäume (auch Totholz!), v.a. Nuss- und Birnbäume.
- Schutz der verbleibenden Obstgärten vor Rodung.
- Förderung der extensiven Unternutzung.
- Förderung lückiger Vegetation durch Auffräsen oder durch Anlage von Ruderalflächen mit Wandkies.
- Erhöhung der Dichte geeigneter Nistkästen bei Mangel an Naturhöhlen, z.B. in Rebbergen.
- Förderungsmassnahmen in Gärten, Freizeitgärten und öffentlichen Grünflächen (extensive Wiesen, Förderung alter Bäume usw.).
- Evaluation alternativer Landschaftsstrukturen als Ersatz für verschwindende Obstgärten.